Dieses Team putzt Fenster mit einer Drohne
04. Mai 2024
Noch schnell ein Gebäude mit einer Drohne reinigen? Kein Problem, sagt eine Firma aus Niederglatt und bringt die selbst entwickelte Technik und den Piloten mit.
«Ich bin ehrlicherweise schon ein bisschen nervös», gibt Christian Aeschbach kurz vor dem Start zu. Dann hebt die Drohne ab und putzt innert kürzester Zeit das erste Fenster. Die Nervosität des Chefs weicht grosser Erleichterung. Die Technik funktioniert. Zwei Jahre Entwicklung und Hickhack mit den Behörden haben sich gelohnt.
Wie bei den grössten Technologieunternehmen der Welt beginnt die Geschichte in einer Garage. Aber nicht etwa im sonnigen Kalifornien, sondern im beschaulichen Niederglatt neben Storchennestern und dem lokalen Feuerwehrdepot. Der Unternehmer Christian Aeschbach und sein Team haben ein System entwickelt, mit dem Fenster, Dächer, Solaranlagen und Fassaden mit einer Drohne gereinigt werden können.
Am meisten Kopfzerbrechen bereitete nicht etwa die Entwicklung, sondern die Behörden. «Es dauerte elf Monate, bis ich alle Bewilligungen beisammen hatte», erzählt Aeschbach. Tausende E-Mails seien dabei hin- und hergesandt worden. Bundesamt für Zivilluftfahrt, Bundesamt für Gesundheit und lokale Behörden, sie alle waren in dieser Zeit oft zu Gast im Postfach des Unternehmers.
Drohne, Marsch!
Anfang April ist es endlich so weit: Der erste Auftrag steht an, die Testphase ist nun offiziell abgeschlossen. Aeschbach und Drohnenpilot Marco Pfister packen nach dem Mittagessen ihren weissen Firmenwagen mit der Aufschrift «Swiss Drone Services». 65 Meter Schlauch, Wasseraufbereiter, Generator, ein Kanister mit einem speziellen Reinigungsmittel, Ersatzteile und Werkzeug finden fein säuberlich sortiert ihren Platz im Fahrzeug.
Vor der Abfahrt geht es aber noch in diese Garage, in der alles seinen Anfang genommen hatte. Hier steht ein zweites Steuerungsmodul, das noch in Arbeit ist. Es ist wie ein Gehirn, in dem das ganze System zusammenläuft.
«Wir haben gerade die ersten Bestellungen erhalten», sagt Aeschbach stolz. Sie würden aber die Gesamtpakete vorerst nur ins Ausland verkaufen und in der Schweiz noch selbst Reinigungsaufträge ausführen wollen. Dabei geht es neben dem Konkurrenzgedanken auch darum, die Technik aus den Erfahrungen im Alltagsgebrauch selbst weiterentwickeln zu können.
Gut, so schnell macht ihnen das auch niemand nach. Aeschbach hat sich und seinem jüngsten Unternehmen – er hat noch drei weitere – ein weltweites Patent für die Technik hinter der putzenden Drohne gesichert. «Das hat mich etwa eine Viertelmillion Franken gekostet», verrät der Mittfünfziger. Ob sich das gelohnt hat, wird sich noch zeigen.
Ein Auftrag in Niederglatt
Mit dem Firmenwagen geht es zur Sto AG, ebenfalls in Niederglatt. Das Bürogebäude des Baumaterialherstellers hat eine grosse Fensterfront. Drei dieser Fenster stehen trotz E-Mail an die Belegschaft noch offen, als die beiden Spezialisten die Drohne bereit machen.
Wenn etwa 60 Grad warmes Wasser aus der Düse unterhalb der Drohne in die Wiese vor dem Gebäude spritzt, ist sie betriebsbereit. Marco Pfister gibt dem Fluggerät mit seinem Controller den Befehl, zum obersten Fenster auf der linken Seite der Glasfront aufzusteigen.
Abgesehen vom ungewohnten Blick auf eine Drohne, die gerade mit gut 120 bar Wasser auf das Fenster prasseln lässt, kriegen die Mitarbeitenden, die nun hinter geschlossenen Scheiben sitzen, nicht mehr viel von der Aktion mit. Hier, in der Nähe des Flughafens, sind Schallschutzfenster eingebaut.
Die Drohne sinkt ab, wenn die Rega kommt
Apropos Flughafen, sind hier Drohnen überhaupt erlaubt? «Unsere Drohne ist offiziell als Fluggerät registriert und hat eine Nummer wie ein Flugzeug», erklärt der Chef. Sie erscheint somit auf dem Radar der Flugsicherung. Ausserdem sei ein Mechanismus eingebaut, der die Drohne automatisch zum Absinken zwinge, sollte sich ein tieffliegender Helikopter der Rettungsflugwacht nähern.
Nach einer guten halben Stunde zwingt allerdings etwas anderes Pfister dazu, der Drohne die Landung zu befehlen. Der Akku geht langsam zur Neige. «Ich könnte zwar noch gut 40 Minuten weiterfliegen, aber man sollte lieber früh genug wechseln», erklärt der wohl einzige festangestellte Drohnenpilot der Schweiz. «Wenn der Akku leer ist, ist die Drohne nicht mehr kontrollierbar. Sie dreht sich, und das kann richtig gefährlich werden.» Ersatzakkus haben die beiden natürlich im Auto.
Spinnweben machen Schwierigkeiten
Schnell bringt Aeschbach zwei der schwarzen Blöcke, während Pfister die anderen entfernt. Nach kurzer Aufwärmphase kann sich die Drohne an die andere Hälfte der Fensterfront machen. Das Fluggerät reinigt nicht nur die Scheiben ziemlich zuverlässig, es braucht auch gar nicht lange, um die Streben dazwischen und die Simse zu putzen. «Das Schlimmste sind Spinnweben, die kriegen wir fast nicht weg», sagen beide. Offenbar kommen 120 bar Wasserdruck nicht gegen etwas an, was die Evolution für Windstärken bis zu 180 Kilometer pro Stunde konzipiert hat.
Immer wieder bleiben Fussgänger und Velofahrerinnen stehen, um bei der ungewöhnlichen Reinigungsaktion zuzuschauen. «Bei mir gäbe es auch noch Fenster zu putzen», witzelt ein Velofahrer dabei. «Diesen Witz habe ich noch nie gehört», sagt Aeschbach ironisch, nachdem der Herr weitergeradelt ist. Es sei aber auch schon vorgekommen, dass Velofahrer gestürzt seien, weil sie beim Entlangfahren so sehr auf die Drohne geschaut hätten. Sogar einen Auffahrunfall zwischen zwei Autos hätten sie schon einmal beobachtet, ergänzt der umtriebige Unternehmer.
Dann düst er los und legt die Schlauchschleife im Gras anders hin. Die Drohne kann wieder frei zu den nächsten Fenstern fliegen. Als schwieriger als angenommen erweist sich der Verschmutzungsgrad der untersten Fensterreihe. Anders als bei den anderen beiden Reihen macht das Wasser keine Anstalten, sich auf den Scheiben zusammenzuziehen, was ein Anzeichen dafür wäre, dass es nun sauber ist. Das ist aber kein Grund zum Aufgeben für die beiden Entwickler. Sie haben noch ein Ass im Ärmel: Molkereiniger.
Die Appenzeller Firma Ciaras AG hat aus dem Ausschussmaterial der Käseproduktion diesen umweltfreundlichen Reiniger entwickelt. «Sie haben ein Video von unserer Drohne bei Instagram gesehen und uns über die Direktnachrichten in der App geschrieben, dass sie den passenden Reiniger für uns hätten», erinnert sich Aeschbach. Nun gehört auch ein Kanister des Molkereinigers zur Ausstattung des Drohnenteams aus Niederglatt.
Anders als beim Fensterreinigen zu Hause braucht es mit der Technik der Swiss Drone Services keine Gummikante und kein Tuch zum Nachtrocknen. Die Drohne sprüht sogenanntes Osmosewasser auf die Oberflächen. Um dieses Wasser zu erhalten, filtert eine Anlage im Fahrzeug Kalk und Mineralien komplett heraus. Dadurch bleiben auf den Fenstern keine kleinen, weissen Tröpfchenspuren kleben.
Einfacher ohne Hebebühne
Marco Pfister und Christian Aeschbach können nach gut einer Stunde den Schlauch einrollen, die Drohne in den Wagen legen und zurück zur Garage fahren. Die Drohne ist aber nicht nur schneller, sondern auch einfacher und sicherer als die klassische Gebäudereinigung. Die beiden müssen keine Hebebühne mieten und können somit auch Aufträge spontan annehmen.
Allerdings können nicht alle Grossreinigungen mit dem Fluggerät übernommen werden. «Ab einer gewissen Höhe werden die Scherwinde so stark, dass es die Drohne zerfetzen würde», erklären die Niederglatter. Diese Winde entstehen, wenn die Luft durch die Ecken und Kanten von hohen Gebäuden verwirbelt wird. Das ist auch ein Grund, weshalb immer wieder Reinigungspersonal verunfallt. «Gebäudereinigung ist einer der gefährlichsten Berufe der Welt», weiss Aeschbach. «Mit unseren Drohnen können wir vielleicht ein bisschen etwas daran ändern.»
Wie sich der Wind auf die Arbeit der beiden auswirkt, ist ein paar Tage später in Effretikon gut zu sehen. Mit der gleichen Drohne, aber einem anderen Aufsatz und einem anderen Mittel im Kanister sollen Algen und Moos an der Fassade eines Mehrfamilienhauses entfernt werden. Sobald die Drohne über die Dachkante hinausfliegt, wird sie vom Wind durchgeschüttelt und der Schaum des Schutzmittels durch die Luft gewirbelt. «Zum Glück ist das Zeug umweltverträglich», erwähnt Aeschbach nebenbei.
Nasse Füsse im Bad
Einige der Bewohnenden werden an jenem Abend ein wenig nasse Füsse in ihrem Badezimmer gekriegt haben, da sie nicht zu Hause waren, um die Fenster zu schliessen. Dies trotz Information von der Verwaltung. Diejenigen, die zu Hause sind, erfreuen sich hingegen am fliegenden Putzgerät. «Schön, dass diese Drohnen auch für etwas Gutes eingesetzt werden», meint die Bewohnerin eines Nachbarhauses, die extra nach draussen gekommen ist, um das Fluggerät mit ihrem Handy zu filmen.
Die Fassade zieht das Schutzmittel langsam ein und lässt Flechten und Moos absterben. In zwei bis drei Monaten wird das Gebäude fast wie frisch gestrichen aussehen. Je nach Wettereinfluss und wie oft die Bewohnerinnen und Bewohner feuchte Luft durch gekippte Fenster herauslassen, hält der Schutz für einige Jahre.
«Es kommen gerade viele Anfragen herein», freut sich Aeschbach. Und so schnell, wie sie gekommen sind, sind die beiden auch wieder weg. Nicht zur Garage in Niederglatt, wo alles seinen Anfang nahm, sondern gleich zum nächsten Auftrag.
Beitrag und Impressionen in: Zürcher Unterländer
Zurück zu > Medien